Freitag, 4. Dezember 2015

Wenn Petersburg schon einen Парнас zu bieten hat, was läge also für einen Lyriker näher, als auf diesen Parnass - die Heimat der Musen - zu steigen, in meinem Fall, mit der Metro zu fahren. Es ist die Endhaltestelle der Linie 2. Ganz oben auf dem Petersburg-Stadtplan, und mir scheint, dann kommt auch bald Finnland. Wie werden mich die Musen dort empfangen?



Ich trete aus der Metro, es ist kalt und es regnet. 

Aphrodite macht mir auf dem Vorplatz ein mageres Angebot, das ich ausschlage. ("Ich heiße Erwin Lindemann, bin Rentner, und eröffne in St. Petersburg eine Intimbudike.")


Irgendwie scheinen die Musen sauer auf mich zu sein. Vielleicht mögen sie die ganze Bloggerei nicht, diesen neumodischen Kram, mit dem ich mich abgebe, anstatt Elegien zu verfassen. Allerdings wenn ich in diesen kürzlich errichteten Blöcken wohnen müßte, dann würde ich auch schlechte Laune kriegen. Dann würden mir wahrscheinlich die herzzerreißensten Elegien aus der Feder strömen wie ein Meer von Tränen.

Eine kleine Scheibe von diesem Wohnelend, das gar nicht so elendig ist, weil die Blöcke zum Teil aus Eigentumswohnungen bestehen, die die Leute von außerhalb kaufen, um auch eine Wohnung in Petersburg zu haben, will ich mir abschneiden und gehe dort ein bißchen spazieren. Mein Regenschirm flattert wie eine Takelage im Taifun. Und die Musen heulen mir die Ohren voll.



Die Blöcke sind so angeordnet, daß sie gut als Windkanal funktionieren. Ich teste meine Strömungseigenschaften. Sobald ich den idealen Punkt erreicht habe, reißt es mir den Regenschirm aus der Hand und seine Metallverstrebungen sind unrettbar verbogen. Ich halte meine Tschapka fest, meine Finger gefrieren binnen Sekunden. Die Brille ist beschlagen, einmal um mich sich selbst gedreht, und ich weiß nicht mehr, was ist hier und was ist dort. O Götter, welch ein Ort. Ich stolpere zur Metro zurück. Mütze nass, Mantel nass, ja das war der Parnass.



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