Freitag, 4. Dezember 2015

CCCP Smolobaja


In den letzten anderthalb Wochen habe ich mir vorgenommen, jeden Tag in eine andere Stolowaja zu gehen. Man kriegt dort für umgerechnet einen Euro eine Soljanka. Nimm noch zwanzig Cent für einen tschoörnoi Tschai in die Hand und circa 90 Cent für ein Stück Käsekuchen und Du bist satt. Leider sag ich immer noch Soljanka statt Saljanka. Dann wissen die Frauen an der Speisetheke immer gar nicht, was ich haben möchte. Ich wiederhole mehrmals hintereinander das Wort Soljanka, bis sich ihr Gesicht durch plötzliches Verstehen aufhellt, und sie bestätigen: „Ah Saljanka“. Ich versuche mir vorzustellen, wie es wäre, wenn in Deutschland ein Russe versuchen würde, eine Kahlsuppe zu bestellen.  Bestimmt stößt er auf dieselben Schwierigkeiten wie ich. „Watt willer, ne Kahlsuppe, keene Ahnung .“


Bei der UdSSR Stolowaja am Heumarkt (sennaja ploschtschad) dachte ich erst, das sei ein Touristending. Denn wenn die Klischees so dick aufgetragen werden, mit roter Fahne und Lenin, dann bezahlt man eigentlich nicht fürs Essen, sondern für ein „total authentisches Feeling“.  Aber ich hatte Hunger, also bin ich rein. Die Stolowaja-Damen kasachischer oder usbekischer Herkunft schauen mich an, als wäre ich völlig fehl am Platze. Ein gutes Zeichen. Es ist billig wie immer, wir spielen das Soljanka-Saljanka-Spiel, bis wir uns verstehen. Ich setze mich. Ringsherum nur Russen. Eine alte, abgerissene Frau, die sich an einem Tee wärmt. Einzelne Männer, die einen Schlag Kascha (Buchweizengrütze) mit Soße und Fleisch verdrücken. Auf dem Fernsehbildschirm, der in keiner Stolowaja fehlen darf, läuft eine sowjetische Filmklamotte aus den 60igern. Offenbar mögen die Russen ihre Sowjetklischees auch ohne ausländische Touristen genießen.  Sie hatten aber nichts dagegen, daß ich mitGenossen habe. 


Engels und Lenin

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