Samstag, 12. Dezember 2015

Am Ende hätte ich es fast geschafft, nicht in die Eremitage zu gehen. Aber dann bekam ich von Anna eine Karte, mit der ich kostenlos da reinkam. Es ist wie am Büffet, von dem man sich nehmen kann, so viel man will. Ich nahm auch das. 


Komplett von oben bis unten, von vorne bis hinten. Mit dem zügigen Marschtempo eines russischen Infanteristen durchmaß ich die weiten Hallen der Kunst. Auf einzelne Bilder konnte ich dabei keine Rücksicht nehmen. Wichtiger noch als das Hinsehen war das Absehen. Ich bin gut 10 Kilometer gelaufen. Erdgeschoß, erste Etage, zweite Etage. Die Erfinder solcher Museen müssen Sadisten gewesen sein. Es ist eine Zermürbungstaktik, wie sie Napoleon widerfuhr, als er Russland erobern wollte. Rechts und links des Weges sinken die Menschen auf die Bänke nieder, müde Gesichter, ausdruckslos und leer, angesichts der Fülle, der schieren Weite. Männer, Frauen, Schulkinder - manchmal Pärchen, die in liebvoller Umarmung eingeschlafen sind.



In einem Seitengang hält man Kisten für sie in unterschiedlicher Größe bereit. Dort legt man sie hinein für den Abtransport in den Keller der Eremitage, wo sie die nächsten Tausend Jahre verbleiben werden, bis man sie wieder hervorholt.



Und kurz bevor mich ein solches Schicksal ereilte, erblickte ich ein Bild, durch das ich meine Vorurteile, die ich gegenüber der russischen Gesellschaft gehegt haben mochte, wiederlegt sah. Mit der Homophobie kann es sicher nicht so schlimm sein, wenn im wichtigsten Museum des Landes ein Bild von Conchita Wurst hängt.     

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